Sonntag, 15. November 2015

hier sein (Sevilla)

Was mir am meisten gefällt? 
Die offenen Fenster in meinem Zimmer mit Blick auf diese Kirche, davor das Glas mit Kaffeeresten und mein Drehzeug auf dem Boden verstreut, alles in orangenes Abendlicht getaucht, ein bisschen frischer Wind, Mitte November in Sevilla. 
Mein Zimmer in dieser WG, wo die Mitbewohner alle drei Wochen wechseln, die Küche, die nicht ganz so gemütlich ist wie ich es gerne hätte, der immer kalte Stein- oder Fliesenboden, weil die Häuser hier nicht dazu gemacht sind, Wärme zu speichern und mein quietschendes Bett. 
Mein altes Fahrrad, aus dessen vorderem Reifen immer wieder die Luft entweicht, weil die vielen Pflastersteine nicht der beste Untergrund sind für Fahrradreifen, die lange leben wollen. Die Sonne, die mich jeden morgen begrüßt, wenn ich auf dem Weg zur Uni um die letze Ecke biege und Richtung Osten schaue. 
Das Spanisch, das mich umgibt, wie eine warme Decke, manchmal etwas kratzig, manchmal erstickt mich das Laute und immer noch etwas Unverständliche fast. Dann lehne ich mich zurück, ziehe sie mir hoch bis zur Nasenspitze, schließe die Augen und höre nur noch auf den Klang ohne verstehen zu wollen. Und langsam merke ich, dass ich automatisch verstehe, dass ich mich auf diese Frequenz eingestellt habe und fast kein Rauschen mehr zu hören ist. 
Der Regen, manchmal regnet es in der Nacht und er klopft so laut gegen meine Fenster, dass ich aufwache davon. Zweifach- oder Dreifachverglasung ist doch nur was für Idioten, müssen sich die Fensterbauer gedacht haben. 
Die Dachterrasse, die Dachterrasse, die Dachterrasse. Die kleinen Straßen mit den ganz normalen Häusern, die so viel freundlicher aussehen als die in Deutschland, einladender. All die Farben, Gerüche, Geräusche. Das Essen! 
Die Menschen, die ich kennen gelernt habe. Die, mit denen ich nur ein paar Worte gewechselt habe und die, denen ich mein halbes Leben erzählt habe. Die Offenheit, die anfangs so ungewohnt ist - wie die Kassiererin im Supermarkt, die jeden Kunden mit Kosenamen anspricht. Die Menschen, die jeden Tag in Cafés und Bars in den Straßen sitzen, reden, lachen, singen, tanzen, genießen. 
Was mir am meisten gefällt? Hier zu sein. 


2 Kommentare:

  1. So ein schöner Text, Nina! Ich bin echt fasziniert! Lass es dir weiterhin gut gehen! Ich hoffe, es gibt bald mehr von dir zu lesen. :) Liebe Grüße aus dem grauen Berlin (gerade haben wir Weltuntergangswetter)!

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